Des Mannes Unterleib - eine intime Biographie

Dieses Thema im Forum "Dies und Das aus dem Rotlichtviertel" wurde erstellt von Amicus vaginae, 1. März 2012.

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    © Janusz Leon Wiśniewski

    © Deutsche Übersetzung von Prof. Dr. phil. Fred Schulz (Hochschule Zittau/Görlitz)


    Viele Frauen meinen, dass man, um einen Mann wirklich kennen zu lernen, mit der Erforschung von unten, vom Unterleib her, beginnen muss. Einige dieser Frauen fügen gehässig hinzu, dass man sie auch durchaus auf den Unterleib beschränken kann. Andrologen, „Männer“ärzte, die zum überwiegenden Teil selbst Männer sind, geben ihnen ohne Zögern Recht- aber nur zur Hälfte. Sie stellen klar, dass der Mann mehr ist, als nur Penis, Hodensack, Hoden, Samenleiter und Sperma.

    Die intime Geographie des Mannes hat einen Vorteil für den Geographen: beide Pole, Äqautor und die beiden Wendekreise liegen auf der Karte verblüffend nahe beieinander. Man muss sich manchmal nur ein kleines Stück weiter vor wagen, bis zum Gehirn, um die Topographie des männlichen Unterleibes restlos zu verstehen.
    Bunte Erotik-Magazine, wie beispielsweise „Playgirl“, bilden auf ihren Hochglanzfotos eine für die Mehrheit der Männer unwahre Aussage ab. Die in Nahaufnahme, in nicht erigiertem Zustand, abgelichteten Penisse der muskelbepackten und solariumgebräunten Models sind um fast 100% größer, als der durchschnittliche Penis des normalen Kowalski. Das tut Kowalski natürlich sehr weh- und Wiśniewski auch. Ein Mann hat, evolutionsbedingt, ein Präzisionmaßband in den Augen. Als kleiner Junge sieht er als erstes das gewaltige Stück Fleisch, das zwischen den Schenkeln seines Vaters baumelt, um dann vor dem Anblick zu erschrecken, der sich ihm nach den schulischen Sportstunden unter der Dusche bietet.
    Soziologen haben ein charakteristisches Phänomen festgestellt: Männer prägen sich (für lange Zeit) fast nur Penisse ein, die größer sind, als der eigene, obwohl unter einer normalen Dusche die Mehrheit der Durchschnittsmänner einen Penis hat, der statistisch durchschnittlich ist. Aber keinesfalls größer.
    In The Atlas of Human Sex Anatomy, der seit Jahren zur Pflichtlektüre der Medizinstudenten weltweit gehört, wird die durchschnittliche Länge eines nicht erigierten Penis mit 9,5 cm angegeben. Bei seiner Erektion beträgt der Längenzuwachs- wieder rein statistisch-ungefähr 60%. Bei diesen Proportionen kann der Durchschnittsmann seiner Sexualpartnerin (oder seinem Sexualpartner) eine Länge zwischen 12 und 18 cm und einen Umfang zwischen 8 und 12 Zentimetern bieten. Den meisten Männern ist das zu wenig. Ein Mann kann mit seiner kleinen Körpergröße leben, damit, dass er ein wesentlich kleineres Auto fährt, als sein Nachbar, in einem viel kleineren Haus wohnt, als dieser, viel weniger Haare auf dem Kopf und in Intelligenztests mit einem weitaus geringeren IQ abgeschnitten hat. Aber er bekommt sofort Komplexe, wenn er einen Kürzeren hat, als jener. Wenn man tiefer darüber nachdenkt, könnte man zu dem Schluss kommen, dass die in den Augen ihrer Träger zu geringe Größe ihres Gemächts das einzige Merkmal ist, das allen männlichen Penissen gemein ist.
    Frauen haben dazu eine völlig andere Meinung. Sie messen ihre Erregung und ihr Glück nicht nach Zentimetern. Die Sexualforscherin Shere Hite aus den USA hat über 400 Frauen befragt, von denen keine einzige (sic!) die Größe des Penis für wesentlich hielt. William Masters und Virginia Johnson wiederum haben in ihren Büchern die anatomische Begründung für die Untersuchungsergebnisse von Hite in Erinnerung gebracht: die Mehrzahl der Nervenendungen liegt in der Klitoris und im vorderen Drittel der Scheide. Selbst ein Mikropenis erreicht die Klitoris- das erwähnte erste Drittel füllt jeder normale Mann aus. Ein normaler Mann hat einen normalen Penis.
    Der Penis des Fötus beginnt ab der 11. Schwangerschaftswoche zu wachsen, wenngleich nicht viel- etwa 0,75 Millimeter pro Woche. Bei der Geburt hat ein Junge einen Penis von ungefähr 2,5 Zentimeter Länge, zehn Jahre später ist dieses Organ etwa 6 Zentimeter lang. Dann, etwa mit Sechzehn, verdoppelte sich die Länge wegen des Vorhandenseins von in der Pubertät sehr intensiv produziertem Testosteron im Blut. Neben Testosteron hat auch das Wachstumshormon Einfluss auf die Entwicklung des Penis. Wäre dem nicht so, besäßen beispielsweise die Pygmäen, die über dieselbe Testosteron-Konzentration verfügen, wie ein normal großer Mann, im Verhältnis zu ihrer Körpergröße gigantische Penisse. Das ist aber nicht so. Wenn die Pubertät vorbei ist, war es das auch schon- zumindest, was den Penis anbetrifft. Die Anzahl seiner Zellen ist ein für alle Mal festgelegt. Bislang hat man keine Hormone oder anderen (bio)chemischen Substanzen entdeckt, die seine Länge oder seinen Durchmesser erheblich zu vergrößern in der Lage wären. Weder die besonders bei japanischen Männern populäre Transplantation von Muskelgewebe, noch die neuerdings vor allem in Holland und Deutschland angepriesene Aufstauung von Blut mittels einer Vakuumpumpe, noch das von einigen afrikanischen Stämmen praktizierte Einreiben mit rauen Insektenflügeln hat diese Zahlen vergrößert. 2004 betrug der Anteil der Scheidungen, die in Deutschland wegen „extremer sexueller Vernachlässigung“ vor Gericht vollzogen wurden, nicht mehr als ein paar Hundertstel Promille.
    Aus ausnahmslos allen Befragungen und Untersuchungen geht hervor, dass das einzig wirklich wesentliche Maß beim Manne, von dem Frauen träumen, die Länge des Gens ist,
    das die Synthese des Proteins (Rezeptors) des Vasopressin-Hormons steuert. Denn über je mehr solcher Rezeptoren ein Mann verfügt, desto treuer ist er.
    Wesentlich mehr Ehen wurden geschieden, in denen Männer zwar einen Penis normaler Länge hatten, der jedoch nicht normal funktionierte. In jüngster Zeit wird dieses Leiden, um die in diesem Punkt hypersensiblen Männer nicht zu erschrecken, in den Medien sehr vorsichtig und mit einem Anflug würdiger, wissenschaftlicher Seriosität als „erektile Dysfunktion“ bezeichnet. Hinter den schalldicht schließenden Sprechzimmertüren von Sexualwissenschaftlern und Urologen nennt man es unverblümt bei seinem alten Namen: Impotenz. Zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens sind mehr als 85 % aller Männer davon betroffen. Mit dieser Aussicht haben sich die heutigen, mit diesen Dingen vertrauten, Männer bereits abgefunden. Was ihnen jedoch den Schlaf raubt, ist die Angst, dass dieser Moment „eine Beziehung oder eine Frau zu früh“ kommen könnte ….
    Die panische Furcht vor der Impotenz entspringt der atavistischen Rolle, die der Mann seinem Penis zuschreibt. Er hat ihn als wichtigstes Körperteil betrachtet, als er noch in Höhlen lebte und tut dies auch heute noch. Nicht ganz schuldlos daran ist eine seit den Zeiten des Vaters der Psychoanalyse, Sigmund Freud, verbreitete Doktrin, die den Penis zum Gegenstand des Neides gemacht hat. Laut Freud- und der ganzen Armee seiner wissenschaftlichen Nachkömmlinge- steckt die Frau angeblich penetrant in einem Zustand des „Penisneid“-Komplexes, worin viele Männer mit unverhohlener Freude den natürlichen Beleg ihrer dominanten Rolle sehen.
    Das zeigt sich auch noch heute, da die klassische Rollenteilung nicht mehr existiert. Aus der neuesten Statistik (2007) der Firma „Durex“ geht hervor, dass bei mehr als 89,8 % der Männer die Lieblingsvariante Oralsex ist. Während der Fellatio kniet die Frau meist vor dem Mann- was an sich die männliche Dominanz symbolisch unterstreicht- und zudem sind die gesamte Aufmerksamkeit und alle Sinne (einschließlich dem Geschmacksinn) der Frau auf
    das für den Mann Wichtigste konzentriert- seinen Penis. Andererseits ist jedoch nur ein geringer Prozentsatz der Männer bereit, sich bei der Frau in gleicher Weise zu „revanchieren“. Aus Umfragen geht hervor, dass nur 13% der Männer beim Sex die Genitalien der Frau mit Zunge oder Lippen stimulieren. Das ist schade, denn die Antworten der Frauen belegen, dass sage und schreibe 96% von ihnen dadurch zum Orgasmus kommen.
    Die meisten Fälle andauernder Impotenz haben organische Ursachen. Im Falle episodisch auftretender Impotenz ist zumeist Stress der Verursacher. Dr. Thomas Kreutzig, ein bekannter deutscher Urologe aus Freiburg, Mitautor des 2006 herausgegebenen, interessanten Buches Nur für Männer! Ist der Auffassung, dass Stress in mehr als 80% der Fälle die Ursache für periodisch wiederkehrende Erektile Dysfunktion ist. Bei lang anhaltendem Stress ist das gesamte Hormonsystem des Mannes auf Kampf eingestellt, sexuelle Aktivität hingegen bedarf vor allem der Ruhe und Entspanntheit. Zudem kommt es nach der ersten Impotenz-Episode laut Kreutzer zu zusätzlichem Stress, der durch die Angst ausgelöst wird „das es jetzt immer so sein wird“. Der Kreis beginnt, sich zu schließen, und die Episoden fangen an, sich zu wiederholen ….
    Der Penis ist eine komplizierte hydraulische Vorrichtung. Ein sexuell erregter Mann muss, um die erhoffte Steifheit seines Gliedes zu erreichen, ungefähr zwanzig Mal mehr Blut durch ihn hindurch pumpen, als normalerweise. Das Blut muss durch die Blutgefäße gedrückt werden, die sich mitunter leider zusetzen, vor allem durch Cholesterin, das sich Männer häufig selbst „verordnen“- durch unangepasste Ernährung, übermäßigen Stress oder Missbrauch von Alkohol und Nikotin. Zudem muss das Blut wenigstens für einige Minuten im Penis verharren. Wenngleich ein Kultautor von in Polen sehr populären Büchern auch behauptet, dass das für mindestens elf Minuten so sein müsse, ist das doch für viele Männer die blanke Utopie. Zum Glück handelt es sich dabei lediglich um eine literarische Fiktion (Coelho übertreibt schamlos, aber als Schriftsteller darf er das- schließlich ist er kein Laborant im weißen Kittel).
    Der durchschnittliche Geschlechtsakt, vom Moment des Eindringens in die Vagina (oder den After- beim Analverkehr) bis zur Ejakulation dauert bei Männern, die regelmäßig Verkehr haben, etwa 2 Minuten und 30 Sekunden. Für Frauen sind das durchschnittlich gefühlte 5 Minuten und 13 Sekunden- ein unverdienter Bonus für die Reputation des Mannes als Liebhaber.
    Zur für die Erektion notwendigen Aufstauung von Blut im Penis muss der Abfluss über die Venen im richtigen Moment verengt werden. Auf Grund verschiedener Faktoren kann die Verengung der Adern nicht zustande kommen oder unzureichend sein (sog. weiche Erektion)- oder sie tritt nicht zum gewünschten Zeitpunkt auf. Dieser ganze Mechanismus wird vom Nervensystem, das elektrische Impulse aussendet, die die Schwellkörper des Gliedes erreichen, sowie durch zwei speziell für diesen Anlass produzierte chemische Verbindungen gesteuert: cGMP und PDE5. (um sexuell zu funktionieren, braucht der Mann kein Gehirn- die Signale kommen nicht von dort her, sondern vom Rückenmark).
    Seit dem Moment der Markteinführung von Viagra, Cialis und Levitra, die PDE5- Inhibitoren sind, besteht die Möglichkeit, diesen Prozess pharmakologisch zu beeinflussen.
    Impotenz ist vor allem die Folge eines „Hydraulikproblems“ des Gliedes. Freuds These von der dominierenden Rolle der männlichen Psyche ist schon längst nicht mehr aktuell. Ausgehend von dem heutigen Wissensstand zu diesem Thema wird geschätzt, dass höchstens 10 % aller Fälle von Impotenz auch psychische Ursachen haben.
    Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass die Psyche eines von Impotenz betroffenen Mannes darunter nicht leiden würde. Bei einigen schlägt sich die Weichheit des Gliedes direkt in einer zeitweisen, harmlosen Gehirn“erweichung“ nieder. Männer wechseln ihre Partnerinnen, sind auf der „Jagd“ nach jungen Frauen, oder werden zum Dauerpatienten beim Kardiologen, weil sie sich direkt vom Fernseher und unter Verzicht ihrer aus Chips und Bier bestehenden Spezialdiät direkt in das Fitnesszentrum begeben oder an allen möglichen Marathons teilnehmen. Es vergeht ein wenig Zeit, ehe sich der Mann wieder mit seinem alten, neuen Penis anfreundet.
    Ohne Hoden wäre der Penis nur eine runzlige, welke Röhre zur Harnableitung. Die Hoden sind wie eine in vier Schichten arbeitende Samenfabrik. Hier entsteht das Testosteron, das über die physische Identität des Mannes entscheidet. Hat ein Mann die Wahl zwischen dem Schutz seiner Augen oder seiner Hoden, wird er fast immer die Hoden bevorzugen. Um sich davon zu überzeugen, reicht es, sich ein Fußballspiel anzusehen. Den Hoden wurde seit Menschengedenken höchste Aufmerksamkeit geschenkt- auch durch das Gesetz. Das Alte Testament. (Das Buch Deuteronomium- Det 25.11-12) gestattete es, einer Frau die Hand abzuschlagen, die sich erdreistet hatte, die Hoden zu zerquetschen (Frauen wissen seit jeher, dass das das empfindlichste Körperteil eines Mannes ist). Das alte assyrische Recht wiederum schützte die Hoden drakonisch mit folgendem Paragraphen: „Wenn eine Frau eines Mannes Hoden im Streit zerquetscht, so wird ihr ein Finger abgeschnitten werden. Wenn den anderen Hoden trotz ärztlicher Fürsorge eine Entzündung befällt, oder die Frau dem Manne bei einer Rauferei auch den zweiten Hoden zerquetscht, werden ihr beide Brüste oder beide Brustwarzen abgeschnitten“.
    Um Priester zu werden, musste man in der römisch-katholischen Kirche in alten Zeiten nachweisen, im Besitz beider Hoden zu sein. Wie die Geschichte lehrt, wurde diese Forderung nicht immer strikt befolgt. Seit eine gewisse Johanna Guilles durch kompromittierende Nachlässigkeit im 9. Jahrhundert zum Papst gewählt wurde (trotz 500 Handschriften, die die Geschichte des Pontifikats von Päpstin Johanna enthalten, dementiert sie der Vatikan kategorisch), hat man die Vorschriften enorm verschärft und eine nicht alltägliche Prozedur für die Überprüfung festgelegt: der designierte Papst sitzt auf einem marmornen Thron mit einer Öffnung, durch die die Kardinäle bei einem Lokaltermin einen eindeutigen Befund ertasten.
    Nach Ansicht von Andrologen steckt das Geheimnis des Mannes in seinem Hodensack. Die Hoden sind im Durchschnitt vier bis sechs Zentimeter lang und etwa drei Zentimeter breit. Aus bislang unbekannten Gründen ist der linke Hoden ein wenig kleiner, als der rechte. Ihr Gewicht hängt entscheidend von der Rasse ab. Der Hoden eines Chinesen wiegt etwa zehn Gramm, während der eines durchschnittlichen Europäers mehr als einundzwanzig Gramm auf die Waage bringt. Die Größe der Hoden ist erblich bedingt- die Wahrscheinlichkeit, dass der Sohn vom Vater die großen Hoden erbt, liegt bei fast 90%. Die Menge des von einem Hoden produzierten Spermas ist von dessen Größe abhängig. Besitzer größerer Hoden haben meist auch einen längeren Penis. Das ist, wie ich bereits an anderer Stelle erwähnt habe, mit der Erzeugung von Testosteron in den Hoden verbunden, das über den Längenzuwachs des Gliedes während der Pubertät entscheidet.
    Bei den Säugetieren treten größere Hoden tendenziell eher bei polygamen, als bei monogamen Gattungen auf. Auch die Produktion von Spermien ist bei polygamen Tieren größer, was seinen Grund in der Konkurrenz hat, die bedeutsam für das Überleben ist. Ein
    Mann scheint, im Vergleich mit anderen Primaten, nach dieser Gesetzmäßigkeit sehr polygam zu sein.
    Die männlichen Hoden machen 0,07% seines Körpergewichtes aus- beim Gorilla, dem ihm verwandten Homo sapiens, sind das lediglich 0,018%, demnach hat ein Mann Hoden, die bezüglich seines Körpergewichtes, viermal größer sind, als die eines Gorillas. Wie wir bereits wissen, leben Gorillas außerordentlich monogam und kopulieren im Verlaufe ihres Lebens nur mit einer einzigen Partnerin. Das andere Extrem ist der Schimpanse: In der Paarungszeit hat ein Schimpansenweibchen mit einem guten Dutzend Männchen Sex. Die Hoden eines Schimpansen sind daran angepasst: sie machen 0,269 % seines Körpergewichtes aus, also dreimal mehr, als beim Mann.
    Die Hoden befinden sich im Hodensack, der nicht anderes ist, als ein ungewöhnlich gut funktionierendes Thermosgefäß. Auf der Innenseite des Hodensacks liegt in Gestalt der Tunica dartos, einer kontrahierenden Membran, ein natürlicher Wärmeregler. In Abhängigkeit von der Außentemperatur zieht sich diese Membran zusammen oder sie dehnt sich aus. Wenn es draußen kalt ist, kann sich der Hodensack zusammenziehen und schrumpeln, dass er aussieht, wie eine Trockenpflaume (um dadurch seine Oberfläche zu verkleinern und den Wärmeverlust zu reduzieren). Gerade dank des Hodensackes beträgt die Temperatur der Hoden in etwa 34,4°C, also etwas weniger, als die Körpertemperatur.
    Diese reichlich zwei Grad spielen eine immense Rolle. Die Anzahl der von den Hoden produzierten Spermien fällt bei einer Temperatur von 36,6°C wesentlich. Dieser Mechanismus der Thermoregulation ist verantwortlich dafür, dass die Hoden nach außen streben und sich damit einem hohen Risiko aussetzen, anstatt sich- wie beispielsweise Nieren oder Leber- im Körperinneren anzusiedeln. Dieses Geheimnis löste der schottische Chirurg John Hunter im 18. Jahrhundert. Er entdeckte, dass Männer, deren Hoden aus verschiedenen Gründen nicht in den Hodensack reichten, kinderlos waren.
    Die Hauptaufgabe der Hoden besteht neben der Produktion von Testosteron in der von Spermien- sie entstehen in speziellen, kleinen Kanälen bzw. Röhrchen (die unter dem Mikroskop aussehen, wie Spaghetti) und von den Samenleitern in das Spritzkanälchen (Ductus ejaculatorius) transportiert werden, das seinen Ausgang in der Harnröhre (Urethra) hat.
    Zwischen den Samenkanälchen befinden sich spezielle Zellen, die Testosteron erzeugen. Dank diesem Prozess stellen die Hoden das Zeugnis darüber aus, ein Mann zu sein. Männer, vor allem jüngere, lokalisieren das Epizentrum ihrer Männlichkeit im Penis (vor allem im Bereich oberhalb der Vorhaut). Zwar ist er es, der ihnen- für Augenblicke- höchste Lust beschert, weswegen er auch ihr liebstes Stück und sie sein größter Fan sind- in Wirklichkeit aber bilden die Hoden, nicht der Penis, das Wesen der männlichen Identität. Sehr viele ältere Männer, die wegen eines Unfalles oder einer Geschwulsterkrankung die Hoden verloren haben, bestehen hartnäckig darauf, dass man diese durch künstliche Surrogate ersetzt und wachen zudem sorgfältig darüber, dass diese Surrogate nicht etwa zu klein ausfallen …
    „Die Hoden sind dazu da, um diese kleinen Lebewesen zu erzeugen und zu bewahren, solange sie nicht selbstständig sind“. So schrieb es 1677 Antonie van Leeuwenhoek, der Pionier der Fortpflanzungsbiologie, in seinem berühmten und für die damalige Zeit mutigen Brief Animacula in Semine (Die Lebewesen im Samen) an die englische Königliche Akademie, die in jener Zeit eine Autorität in der Wissenschaft war. Schwer zu glauben, dass man die
    Spermien erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entdeckt hat. Ehe man jedoch daran glaubte, dass diese „Lebewesen“, die der aufmerksame Holländer unter dem Mikroskop erblickt hatte, Spermien (Spermatozoide) und für die Befruchtung verantwortlich sind, mussten weitere einhundertundfünfzig Jahre vergehen. Übrigens glaubte Antonie van Leeuwenhoek selbst, er habe „kleine Tierchen“ gesehen, die den Einzellern in einem Wassertropfen aus einem Teich ähnelten, die er unter dem Mikroskop betrachtet hatte. Und tatsächlich ist diese Ähnlichkeit auf den ersten Blick sehr groß. Das Revolutionärste an der Entdeckung von van Leeuwenhoek war die Verbindung der Hoden mit der Produktion von im Sperma enthaltenen Samenfäden.
    Heutzutage wissen wir wohl alles über das Sperma. Es handelt sich dabei um ein Sekret, das von den Hoden, Samenbläschen und der Prostata gemeinsam gebildet wird. Unter dem Einfluss von sexueller Stimulation, Hoden- und Samenleiterkontraktionen bewegt sich der Samen bis zum Prostatateil der Harnröhre , nachfolgend kontrahiert die Prostata und die Muskeln von Harnröhre und Schwellkörper ejakulieren das Sperma (eine Mischung von Samen und anderen Flüssigkeiten) nach außen.
    Ein einzelnes, männliches Ejakulat hat ein Volumen zwischen 2 und 6 Millilitern. Die Spermien (maximal 712 Millionen) machen gerade mal 0,5% der Masse des Ejakulates aus. Der Rest- jetzt kommt der Chemiker in mir durch- sind Leukozyten, Fructose, Elektrolyte, Zitronensäure, Enzyme, Prostaglandine, Kohlenhydrate, Aminosäuren, Cholesterin, Harnstoff, Zink, Kalk, Magnesium und- zum größten Teil- normales Wasser. Das Sperma enthält auch Spuren von Dopamin, Noradrenalin und Hormonen, wie Oxytocin und Vasopressin.
    Hier noch eine Handvoll weiterer interessanter Informationen über das Sperma, die nicht ohne weiteres zu finden sind. Ein Ejakulat enthält nicht mehr als 5 Kilokalorien und verursacht auch keine Karies! Gleich nach dem Austritt ist es von wässrig-viskoser Konsistenz, fängt aber nach gewisser Zeit an, sich unter der Einwirkung von Enzymen der Prostata zu verflüssigen. Sperma ist leicht alkalisch und schmeckt im Grunde nach nichts. Einige, mit der Nahrung des Mannes aufgenommene Enzyme verändern den Geschmack des Spermas. Das in (frischer, nicht konservierter!) Ananas enthaltene Enzym bewirkt, beispielsweise, dass Sperma süßlich schmeckt. Übermäßiger Genuss von Kaffee und Nikotin dagegen hat entgegen gesetzte Wirkung: das Sperma starker Raucher schmeckt säuerlich-bitter. Männer, die sich vegetarisch ernähren (aber nur die, die Knoblauch und Zwiebeln meiden), haben ein süßeres Sperma, als solche, die Fleisch verzehren. Es verwundert also nicht, dass der Geschmack des Spermas und seine Qualität in einem engen Zusammenhang stehen.
    Die Mehrheit der Samenbanken weltweit (die ersten solchen Einrichtungen entstanden 1965 in den USA und Japan) ist sehr bedacht auf „erstklassiges Material“ und nimmt kein Sperma von Männern in ihre Banken auf, die von Nikotin, Alkohol, Marihuana oder Haschisch abhängig sind. Von mehr als vierhundert Interessenten erreichen durchschnittlich nur ein bis zwei die Etappe, in der man Spender wird. Ihr Sperma in luftdicht verschlossenen, speziellen Gefäßen aus kugelsicherem Glas, wird in Behältern aus erstklassigem Edelstahl verwahrt, die mit flüssigem, auf eine Temperatur von – 127°C gekühltem Stickstoff gefüllt sind.
    Ein Mann spendet in der Beziehung mit einer Frau sein Sperma nach einem von der Evolution festgeschriebenen Ablaufschema. Untersuchungen zu diesem Thema wurden in dem Buch Krieg der Spermien (Weshalb wir lieben und leiden, uns verbinden, trennen und betrügen)
    von Robin Baker, Zoologe und Dozent an der Universität in Manchester, interessant beschrieben. Im Großen und Ganzen hängen die Anzahl der Spermien und deren Zusammensetzung davon ab, wann der Mann mit der betreffenden Frau Sex hatte. Bei regelmäßigem und häufigem Beischlaf setzt der Mann bei jeder Ejakulation durchschnittlich 389 Millionen Spermien frei. Wenn zwischen den Geschlechtsakten eine Pause von mehr als ein paar Tagen liegt, kann die Zahl der Spermien bis auf 712 Millionen ansteigen.
    Außerdem sind in jedem Sperma außer den Spermien, deren einzige Aufgabe in der Befruchtung der Eizelle besteht, Heerscharen solcher enthalten, die ausschließlich damit beschäftigt sind, die Spermien eines potentiellen Konkurrenten zu beseitigen. Dieser raffinierte Mechanismus dient dazu, die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung durch einen Rivalen, der im Falle ihrer Abwesenheit auftauchen könnte, auf ein Minimum zu reduzieren. Die Eigentümer sämtlicher auf der Welt existierenden Samenbanken wissen das. In ihren Vorschriften ist eindeutig geregelt, dass „damit das Sperma eine größtmögliche Zahl an Spermien enthält, der Spender zumindest drei Tage vor der Samenspende weder kopulieren, noch masturbieren darf“.
    Obwohl das Sperma, für uns heutzutage nichts Geheimnisvolles mehr hat, gilt es immer noch als etwas Magisches. Männer schenken ihrem Sperma, ganz gleich, welcher Kultur sie entstammen, mehr Achtung, als beispielsweise ihrem Blut. Das bereits erwähnte Paar von Sexualforschern, William Masters und Virginia Johnson, die zwölf Jahre lang über zehntausend Orgasmen beobachtet und dokumentiert haben (anfangs nutzten sie dafür Prostituierte, später arbeiteten sie mit beinahe siebenhundert Freiwilligen zusammen), registrierten bei den Männern nach der Ejakulation eine Art Melancholie, die sie, nach Interviews mit diesen Männern, mit dem Phänomen des „Abschieds vom eigenen Sperma“ in Zusammenhang brachten. Ähnliches hatte auch Alfred Kinsey beobachtet, der durch seine Rapporte bekannt wurde, die das Amerika der vierziger und fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts erschüttert hatten. Möglicherweise glauben Männer unterbewusst an etwas, was die Philosophien und Religionen des Ostens, besonders die hinduistische, vermitteln: das Sperma ist wertvolle Lebensenergie. Jede Ejakulation bedeutet einen Verlust dieser wertvollen Energie und einen Schritt in Richtung Tod. Selbst, wenn sie ihnen diese ungewöhnliche Lust bereitet, auf die zu verzichten sie nicht in der Lage sind ….
     
    Zuletzt bearbeitet: 1. März 2012
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