Lob der Prostitution

Dieses Thema im Forum "Dies und Das aus dem Rotlichtviertel" wurde erstellt von Amicus vaginae, 28. Juni 2006.

  1. von Amicus vaginae
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    VON PROF.VOLKMAR SIGUSCH


    In der Fernsehserie Verbotene Liebe hat ein junger Mann namens Gregor jahrelang erfolgreiche Frauen gegen Bezahlung befriedigt. Er ist das, was wir auf deutsch Strichjunge und auf amerikanisch Callboy nennen. Alle mögen ihn, und das ist gut so. Denn Prostitution gehört zu unserer Lebensweise wie das Amen zur Kirche. Die Verhältnisse, in denen wir leben und arbeiten, sind prostitutiver Natur. Wir alle bieten feil, werfen weg, nehmen und lassen nehmen. Auch deshalb wird der generelle Abscheu auf die Nutten und Stricher projiziert. Wir sind alle käuflich und werden gekauft. Manche körperlich, manche seelisch, viele moralisch und alle geistig.

    "Bewusste" Prostituierte gibt es seit den achtziger Jahren. Damals drehten Sexarbeiterinnen den Spieß der Spießer einfach um, indem sie das Schimpfwort "Hure" mit erhobenem Kopf zum öffentlichen Kampfwort machten. Im November 1984 erschien die Nr. 1 von HWG - Zeitung für leichte und schwere Mädchen. Im Februar 1985 wurde eine "Weltcharta für die Rechte der Prostituierten" verabschiedet.

    Heute haben wir ein seit 2002 geltendes Prostitutionsgesetz, bekommen Huren eine Steuernummer, zahlen Krankenkassen- und Rentenbeiträge, können sich von der Gewerkschaft Verdi einen Musterarbeitsvertrag besorgen, treten Steuerberater mit Zuhältern in Konkurrenz. Und endlich gilt Prostitution nicht mehr als sittenwidrig, sodass die Sexarbeiterin ihr Honorar rechtlich einfordern kann.

    So weit, so gut. Aber wo bleibt das Laster? Wer möchte schon, wenn er sich Lava in die Adern gießen wollte, stattdessen über Rechtsverordnungen diskutieren? Doch auch das Laster ist, wie bereits Proust zu Krafft-Ebing notierte, eine exakte Wissenschaft geworden. Im Prozess der bürgerlichen Gesellschaft wurden die bei uns immer kümmerlichen Wurzeln einer Ars erotica herausgerissen. Das ist der wahre Skandal: In unserer Kultur hat die Prostitution nichts mit spielerischem Vergnügen und fantastischer Kunst zu tun; sie ist harte Arbeit und kaltes Geschäft in einem Milieu allseitiger Ausbeutung. Kurzum, sie passt zum Turbokapitalismus wie die Faust aufs Auge.

    Nach wie vor verachten die meisten Menschen Sexarbeiter. Deren Dienstleistung aber wird gesellschaftlich benötigt: In unserer Sexualkultur sind Dauerbeziehungen nicht ohne Prostitution zu denken und zu haben. Allein in Hamburg gehen zurzeit 3000 bis 4000 Frauen und 1000 Männer einer Sexarbeit nach, die pro Tag etwa 10 000 Kunden in Anspruch nehmen. Bundesweit wird der Umsatz pro Jahr auf sechs bis 14 Milliarden Euro geschätzt.

    Großen Studien zufolge geht ein erheblicher Teil der Männer irgendwann im Leben zu einer Prostituierten. Grob gerechnet ist es jeder Zehnte. Für jene zahllosen sexhungrigen Männer um 30, die aus vielen Gründen an keine Frau herankommen, gehört die Prostitution zu den unentbehrlichenVentilsitten unserer Kultur, ohne die sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung mit großer Wahrscheinlichkeit drastisch zunehmen würden.

    Heute heißt bei uns eine führende, vom Frankfurter Verein Doña Carmen produzierte Hurenzeitung La Muchacha. Und damit ist ein weiterer Skandal benannt: Viele Sexarbeiterinnen kommen aus dem Ausland, sind illegal hier und damit unserer Willkür ausgeliefert. Wir holen sie, benutzen sie, schikanieren sie, schieben sie ab, auf dass neues Frischfleisch ins Land komme - mit Menschenhandel oder ohne.

    Deshalb sei allen bigotten Politikern und Heuchlern aus einem besseren Schauspiel zugerufen: "Was geißelt ihr die Hure, peitscht euch selbst!"
     
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