Ausbeutung einer Abhängigen oder Abkommen zweier Erwachsener? Prostitution in der Kritik In Finnland ist die Prostitution zukünftig verboten, sobald Kuppelei im Spiel ist. Dies ist allerdings ein weites Feld. Der Beschluss des Parlaments hat deshalb für kontroverse Diskussion gesorgt. Von Hannes Gamillscheg, Helsinki Der Erwerb von sexuellen Diensten ist in Finnland künftig verboten, wenn die Prostituierte "Opfer von Kuppelei oder Menschenhandel" ist. So lautet der Kompromiss, den das Parlament in Helsinki mit großer Mehrheit verabschiedet hat und mit dem doch niemand recht zufrieden ist. Denn viele Abgeordnete empfinden das Gesetz entweder als zu weit gehend oder zu schlapp. Auf die Gerichte wartet die schwere Aufgabe zu beweisen, ob es sich beim sexuellen Akt um Ausbeutung einer Abhängigen oder um ein freiwilliges Abkommen zweier Erwachsener handelt. Der Zentralverband der Frauenorganisationen hatte ein Gesetz nach schwedischem Vorbild gewünscht. Dort macht sich der Freier strafbar, die Frau nicht. Das hat zu einem starken Rückgang der Straßenprostitution geführt. In Bars und im Internet, wo der Sexhandel schwerer zu kontrollieren ist, blüht er allerdings weiter. Doch dem Totalverbot widersetzte sich eine parteiübergreifende Männerlobby unter den finnischen Politikern. Der Konservative Kimmo Sasi, der Vorsitzende im Justizausschuss, sah durch ein Verbot das "Selbstbestimmungsrecht" verletzt. Justizministerin Leena Luhtanen legte darauf den Kompromiss vor, der den käuflichen Sex nur dann strafbar macht, wenn die Frau Opfer von Zuhältern ist und von "Selbstbestimmung" daher keine Rede sein kann. Um jedoch auch die Anhänger der strengen Regelung angemessen zu berücksichtigen, wird die Definition des Begriffs "Kuppelei" extrem weit gefasst. Da in Finnland Prostitution an öffentlichen Plätzen verboten ist, bieten die meisten Huren ihre Dienste auf den Websites von Internetfirmen an. Diese Firmen sind künftig als Kuppler zu betrachten, der so vermittelte käufliche Geschlechtsverkehr fällt daher unter das Verbot. Legale Prostitution betreiben fortan nur Einzelunternehmerinnen mit eigenen Internetportalen. Davon gibt es nach Angaben von Salli, dem "Verband der Sexarbeiter", im ganzen Land nur zwei. Die Kriminalisierung treibe die Prostitution in den Untergrund und in die Hände krimineller Organisationen, behaupten die Kritiker des Verbots nun und fragen: Wie will man beweisen, dass der Käufer Bescheid wusste, dass die Hure ein Opfer war? "Sie werden ihren Kunden Zettel zustecken, wo sie versichern, dass alles freiwillig war", sagt der rechtspopulistische Abgeordnete Raimo Vistbacka. "Wer glaubt daran, dass die Polizei dann zu ermitteln beginnt?" Die Prostitution in Finnland konzentriert sich vor allem auf Hotels und Bars in Helsinki und auf grenznahe Gegenden im Osten, wo regelmäßig eine Gruppe von 800 bis 1200 Russinnen einreist. Sie bringen die erlaubten Rationen an Alkohol und Zigaretten mit und verkaufen neben diesen auch sexuelle Dienste. Im benachbarten Estland fürchtet die Regierung einen verstärkten Zustrom von Freiern, wenn Finnland nun seine Gesetze verschärft. Zuvor schon war jeder vierte Gast in Tallinns Bordellen ein Finne. Nun erwägt auch die estnische Regierung eine Kriminalisierung des Sexhandels.