Tag des offenen Denkmals - Kleinode im Rotlichtviertel

Dieses Thema im Forum "Dies und Das aus dem Rotlichtviertel" wurde erstellt von IharaSaikaku, 4. Juli 2009.

  1. von IharaSaikaku
    IharaSaikaku

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    Was haben ein maroder Betonturm, ein fein gemachter Amüsierbetrieb und ein umgenutzter Kiosk gemeinsam? Einiges, konnten Denkmalschützer am Freitag bei einem Innenstadt-Rundgang vorführen.

    Alle drei, der Glockenturm der Weißfrauenkirche an der Gutleutstraße, das Animierlokal "Moulin Rouge" an der Moselstraße und der Restaurant-Pavillon "Heimat" an der Berliner Straße zeigten sich nämlich vom Geist der Wiederaufbaujahre umweht. Wobei der Bar im Rotlicht-Milieu der Zeitgeschmack der Sechziger mit einem Aufwand von einigen hunderttausend Euro gerade ausgetrieben worden ist.

    An der Adresse Moselstraße 31 hatte man damals die Ladenfront eines Neurenaissance-Sandsteingebäudes mit Brettern vernagelt, statt "Bäckerei Kempf" den Kneipennamen "Pferdestall" außen angepinnt und die Geschäfte ins Dunkle verlegt. "Die Häuser sollten wenigstens in den Erdgeschossen modern aussehen", analysierte Landeskonservator Christoph Mohr , was zu der Zeit Mode war. "Wir erbten 1980 ein verfallenes Haus in einem gefallenen Quartier", resümierte Eigentümerin Astrid Kempf-Rother.

    Eichentheke, Pendelleuchten

    Heute zeigt das 1904 errichtete, denkmalgeschützte Haus von außen wieder ein offenes Gesicht und innen erleuchtet das rötliche Schummerlicht eine stattliche Theke aus dunkler Eiche mit Pendelleuchten der Gründerzeit. So elegant wirkt das Moulin Rouge, dass die Stammgäste meinten, das Etablissement sehe ja jetzt "wie eine Kirche aus". Konservatoren und Eigentümerin waren aber immer wechselseitig des Lobes voll. Durch das Denkmalamt sei "das Vorhaben für uns zur Herzensangelegenheit geworden", meinte Astrid Kempf-Rother, die mit der stilgerechten Sanierung auch das Lebenswerk von Urgroßvater und Bäckermeister Fritz Kempf hochhalten wollte. "So eine Bauherrin ist einmalig", erwiderte Denkmalschützer Hans-Günter Hallfahrt.

    Denn in jener Ecke des Bahnhofsviertels herrscht konstanter Schmuddel-Look. Die Eigentümerin glaubt, sie sei mit ihrer Schwester die letzte, die im Karree Wohnungen vermieten "die anderen haben alle Bordelle aus den Häusern gemacht".

    220 denkmalgeschützte Anlagen kann das Bahnhofsviertel vorzeigen. Es lassen sich vielerlei Entdeckungen machen, dazu diente auch der Presse-Rundgang vor dem "Tag des offenen Denkmals " am 13. September. Warum zum Beispiel der baufällige Glockenturm der 1956 geweihten, inzwischen überzähligen Weißfrauenkirche mitten auf dem Bürgersteig der Gutleutstraße stehen bleibt.

    Außergewöhnliche Treffpunkte

    "Wie ein Zeigefinger" meinte Christoph Mohr, ragt der Betonturm auf. Und bringt so nebenbei das Verschwinden der historischen Weißfrauenkirche in Erinnerung, die einst beim Wiederaufbau der Ost-West-Achse Berliner Straße Platz machen musste. Vor allem aber zeige der Selbstbewusste den im Viertel Herumirrenden, wie Gerald Hintze von der angrenzenden Diakoniekirche glaubt: "Hier gilt etwas Anderes." Nämlich "Zusammenhalt, Hilfe und Glaube" .

    Oft schon war dieser Turm vom Abbruch bedroht, jetzt sei er "als Landmarke" akzeptiert und werde saniert. Sicher auch, weil sich das überzählig gewordene, in allen Farben erleuchtete Kirchenoval an seiner Seite als ein außergewöhnlicher Treffpunkt entwickelt hat. Für Gerald Hintze ist es "eine Piazza", auf die der markante Mast hindeutet. Jetzt plant der Mann von der Diakonie, auch an der Rückseite, Richtung Atelierhaus und Moschee, einen Platz anzulegen und trennende Mauern aufzubrechen.

    Auch zur "Wiedergewinnung städtebaulicher Qualitäten" könne Denkmalschutz dienen, unterstrich Konservator Mohr. Da saß man schon in dem rekonstruierten Fünfziger-Jahre-Pavillon des Lokals "Heimat" an der Berliner Straße, das "perfekt angenommen wird", wie die Betreiber sagen. Und blickte verdrossen nach gegenüber, wo der frühere Bundesrechnungshof vergammelt. Vielleicht, weil noch keiner das Händchen dafür hatte, die Stärken des Gebäudes zu entdecken.

    http://www.fr-online.de/frankfurt_u...nen-Denkmals-Kleinode-im-Rotlichtviertel.html
     
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