Tagebücher und neue Freunde

IharaSaikaku · 22. Oktober 2011

Seit 25 Jahren unterstützt der Verein Integrative Drogenhilfe Süchtige. Zu seinen Angeboten gehören sogenannten Druckräume ebenso wie Arbeitsmöglichkeiten.

Aus der FAZ vom 14. Oktober.

Andreas Kohn ist in diesem Jahr vierzig geworden. Für die meisten Menschen wäre das nichts Besonderes, aber für Kohn erscheint es wie ein Wunder. Er ist seit seinem 17.Lebensjahr drogenabhängig, hat von Marihuana über Kokain bis hin zu Heroin schon alles konsumiert. Lange Zeit lief er jeden Tag Gefahr, sich selbst mit den Drogen umzubringen, indem er sich den „goldenen Schuss“ setzte. „Das war ein extrem lebensverneinendes Verhalten“, sagt Kohn heute.

Dass er dennoch seinen 40. Geburtstag erleben konnte, hat er vor allem einem Substituierungsprogramm zu verdanken, bei dem er sich seit 2003 jeden Tag Diamorphin, ein künstliches Heroin, spritzt. Rauschgift auf der Straße kaufen und sich wegen illegalen Drogenbesitzes strafbar machen, das muss Kohn nun nicht mehr. Doch er will vom Leben mehr als nur überleben. Er will arbeiten. Seit eineinhalb Jahren macht er deshalb eine Ausbildung bei der Zeitschrift „Jubaz“, einem Magazin für Drogenabhängige, das von der Integrativen Drogenhilfe in Frankfurt herausgegeben wird.

Es geht um das schiere Überleben
Kohn ist nur einer von etwa 5000 Drogenabhängigen in Frankfurt, die von dem Verein unterstützt werden. Der Verein setzt sich seit seiner Gründung vor 25 Jahren dafür ein, Drogenabhängige von der Straße zu holen und sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Vor kurzem nutzte die Drogenhilfe das Jubiläum, um in einer Feierstunde ihre Arbeit vorzustellen. Zu diesem Anlass ist auch der Film „Überleben unter Druck“ entstanden, der Einblick in die Arbeit der Integrativen Drogenhilfe vermittelt. Darin werden nicht nur Projekte vorgestellt, sondern berichten Drogenabhängige von ihrem Leben - und von der Unterstützung des Vereins. Darunter auch Andreas Kohn. Im persönlichen Gespräch vertiefte er diese Schilderungen.

Zu den Angeboten des Vereins zählt unter anderem das Projekt „Arbeit, Technik und Kultur“, in dessen Rahmen Kohn und sieben weitere Drogenabhängige die Zeitschrift Jubaz gestalten, um einen Weg zurück ins Arbeitsleben zu finden. Viele Drogenabhängige sind jedoch weit davon entfernt, überhaupt nach Arbeit zu suchen. Ihre Alltagsprobleme drehen sich um den Drogenkonsum und das schiere Überleben.

„Druckraum“schon seit 1997
Die Drogenhilfe bietet deshalb im „Eastside“ an der Schielestraße im Ostend Betten zum Übernachten und warme Mahlzeiten für Abhängige an. Zudem können diese sich dort saubere Nadeln abholen und Heroin in einem hygienischen Umfeld spritzen. Damit soll der Ansteckung mit Hepatitis oder HIV vorgebeugt werden. Einen solchen „Druckraum“ gibt es seit 1997 auch an der Niddastraße im Bahnhofsviertel, wo sich ein Großteil der Betroffenen tagsüber aufhält. Er soll die Drogenabhängigen von der Straße und öffentlichen Orten wie der Taunusanlage oder dem Hauptbahnhof fernhalten. Wie groß der Bedarf ist, zeigt die Statistik: Im vergangenen Jahr besuchten mehr als 1000 Personen diesen Raum an der Niddastraße, und es wurden etwa 93000 sogenannte Konsumvorgänge gezählt.

Zusätzlich zu diesem Angebot hat die Drogenhilfe ein Projekt namens Kiss initiiert - was „Kontrolle im selbstbestimmten Substanzkonsum" bedeutet. Es richtet sich an Abhängige, die ihren Drogenkonsum reduzieren wollen. Sie werden in mehreren Gruppensitzungen angeleitet, ein „Konsumtagebuch“ zu führen. Das soll ihnen helfen, sich an ein selbst festgelegtes Ziel anzunähern.

„Wer stellt schon einen ehemaligen Junkie ein?“
Weil sich Abhängige, die ihren Konsum stabilisiert haben und sich nicht mehr mitten in der Szene bewegen, oft einsam fühlen, gibt es seit 2009 auch das Projekt Buddy-Care. Dabei treffen sich sozial engagierte Menschen einmal wöchentlich mit Drogenkonsumenten, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Durch das Projekt sollen die Drogenabhängigen neue soziale Kontakte knüpfen und ihre Hemmungen im Umgang mit anderen Menschen abbauen. Mittlerweile gibt es 35 solcher Buddy-Paare.

Auch Thomas Kohn hat inzwischen ein stabiles soziales Umfeld und wohnt mit seiner Lebensgefährtin in einer gemeinsamen Wohnung. Für die Zeit nach seiner Ausbildung bei der Zeitschrift „Jubaz“ hat er dennoch wenig Hoffnung. „Wer stellt schon einen ehemaligen Junkie ein?“, fragt er sich. Deshalb hat Kohn begonnen, ein Buch zu schreiben, in dem er seine Erlebnisse verarbeitet. 100 Seiten hat er schon. „Warum sollte alles, was ich erlebt habe, umsonst sein?“, meint er dazu.
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Der Film „Überleben unter Druck“ kann auf der Internetseite der Integrativen Drogenhilfe unter www.idh-frankfurt.de angesehen werden.

http://www.idh-frankfurt.de/index.php?option=com_content&task=view&id=28&Itemid=29

ekztiw · 25. Oktober 2011

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Launebär77 · 26. Oktober 2011

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